Am 23. Oktober 2021 gelang der ersten Männermannschaft des VfL Günzburg mit einem 27:26 (13:12) gegen den TSV Blaustein ein Eintrag in seine so wechselvolle Chronik. Es war der erste Sieg in der jüngeren Handballgeschichte in einer 3. Handballliga. In der kurzen, abgebrochenen Saison 20/21 gab es nur den einen Auftaktpunkt gegen die SG Leutershausen, 21/22 sind es nun endlich drei Punkte, darunter die eines Siegers. Zentnerschwere Last fiel den Spielern, den Trainern und den Fans vom Handballherz, selten wurde sich so gefreut. Und auf der anderen Seite die Blausteiner, wieder hatte es nicht gereicht. Leistungssport ist unbarmherzig und bestraft oft nur den einen oder die zwei kleinen Fehler zu viel. Es war ein Tanz auf des Messers Schneide – nichts für schwache Nerven.

Schon die ganze Woche war schwierig. Pascal Bucks Verletzung stellte sich zwar nicht als das Schreckgespenst Kreuzbandriss heraus, eine OP dürfte dennoch kaum vermeidbar sein. Dann fiel auch noch Sergi ala Sanchez mit Wadenproblemen aus. Von drei starken Linkshändern war urplötzlich nur noch Andre Alvez übrig, der erneut ein starkes Spiel machen sollte. Und das ist ja nicht alles. Seit langem fehlen mit Matevz Kunst und Julian Ruckdäschl Leistungsträger. Doch auch den Blausteinern ging es nicht besser. Bei ihnen wütete die Grippe, damit bis zum erhofften negativen PCR-Test auch immer der Corona-Verdacht. Am Ende konnten mit Torjäger Philipp Frey und Spielmacher Krisztian Galli zwei wichtige Akteure gar nicht eingesetzt werden, Jan-Marco Behr biss auf die Zähne. Noch am Freitag wurde von TSV-Seite auf eine Spielverlegung gedrängt. Doch der VfL wollte trotz eigener schwieriger Ausgangsposition eine Entscheidung um die „Gott-verdammte“ rote Laterne.

Dann ging es los vor 700 gespannten Zuschauern. Einige Blausteiner Fans waren zur Pflege der Fröhlichkeit sogar mit dem Zug angereist. Der Harthausener Fanfarenzug heizte die Stimmung ordentlich ein. So macht Handball Spaß.

Auf Rückraumrechts, der Position des Linkshänders Pascal Buck durfte Rechtshänder Stephan Jahn ran. Mit viel Übersicht und taktischer Disziplin löste er diese Reifeprüfung. Den ersten Treffer erzielte Steffen Spiß. Er war als Youngster schon zu Blausteiner Landesligazeiten dabei. Nicht nur wegen seiner sieben Treffer zeigte er eine fulminante Leistung. Er sollte viel später, in der 59. Minute, auch den letzten Treffer seiner Farben zum 27:26 markieren und noch einen weiteren fünf Sekunden vor Schluss, dem allerdings zum Günzburger Handballglück, regeltechnisch einwandfrei, die Anerkennung verweigert wurde. Manchmal passiert das Entscheidende nicht auf dem Spielfeld..

Zunächst ging es so weiter:

Ausgeglichen wog das Geschehen hin und her. Der VfL Günzburg vergab wieder reihenweise Chancen bzw. scheiterte am starken Gästetorwart Yannik Ruhland. Allein bis zur 20 Minute waren drei Siebenmeter vergeben. Doch auch die Württemberger taten sich gegen die geballte bayrische Kampfkraft schwer. Zäh wurde gerungen. Als Jakob Hermann, der in Abwehr und Angriff große Fortschritte gemacht hat, zum 11:8 einwarf – er sollte nach dem Spiel zum „Player of the match“ erkoren werden – hoffte manch Günzburger Fan auf eines der lockeren Heimspielchen wie man sie aus Bayernligatagen kannte. Doch die gibt es im Haifischbecken 3. Liga nicht. Auch das ist ein Lernprozess. Die Blausteiner waren immer dann stark, wenn ihre Stammbesetzung insbesondere Jan Behr und Nicola Potic gemeinsam auf der Platte stand. Auswechseln war ein größeres Problem als beim VfL. Vielleicht gab das am Ende den Ausschlag. Bei den Weinroten fiel das Torewerfen am einfachsten, wenn die Außen Andre Alves oder Balazs Toth frei gespielt wurden oder nach einem vom erneut sehr sicheren Patrick Rösch gehaltenen Ball auf die schnelle Gegenstoßreise geschickt werden konnten. Die gegenseitigen Trümpfe glichen sich aus und so verwunderte das knappe13:12-Halbzeitergebnis, vom Ex-Günzburger Louis Dück erzielt, niemanden. Ein Krimi stand schließlich auf dem Samstagabendprogramm und keine Schmonzette, bei der vorher schon jeder weiß wie sie ausgeht.

In der zweiten Halbzeit änderte sich am Handballstellungskrieg wenig. Als Christoph Spiß in der 50. zum 20:22 und etwa zwei Minuten später Jochen Fuchs zum 21:23 traf, war der Jubel bei den TSV-Fans riesig. Mancher sah schon weinrote Felle auf der Günz davon schwimmen und träumte von einer Party der Sieger im Regionalexpress nach Ulm. Doch die jungen Günzburger berappelten sich. Immer irgendein anderer holte die Kohlen für sein Team aus dem Feuer. Patrick Rösch steigerte sich nochmals, Manuel Riemschneider blieb mutig und wurde erfolgreich. Daniel Jäger, das gute alte „Günzburger Industriegebiet“ traf beim 22:23 zweimal. Beim 24:23 war die Begegnung erst einmal neu gekippt. Kämpfer Yannick Meye, die andere Maschine am Kreis, erzielt knapp 2 Minuten vor Schluss das wichtige 27:25. Eine Entscheidung war das nicht. Wir sind ja nicht beim Fußball.

Da war noch dieser Steffen Spiß, der damals am Spielanfang den ersten Treffer markierte. 92 Sekunden vor Schluss erzielte er das 27:26. Wieder erlangten seine Blausteiner den Ball und im Gewühle, fünf Sekunden traf er irgendwie und unten herum von drei Günzburgern bedrängt zum Ausgleich. Aufbrausende Freude im Gästeblock. Schnelle Kühlung der Glücksgefühle durch einen Pfiff vom Kampfgericht und das nachfolgende deutliche Schiedsrichterzeichen Team-Time-out. Trainer Markus Klemencic-Müller hatte kurz zuvor eines beantragt. Auch wenn das Runde schon im Eckigen war, es zählt einfach nicht. Vorwerfen kann man das dem Neu-Trainer nicht. Die Wurfsituation war ziemlich aussichtslos, gerade dann bietet sich ganz kurz vor Schluss ein Team-Time-out an. So ein kurzer Pfiff macht viel aus. Plötzlich freuten sich die VfL-Fans. Stehend jubelnd erlebten sie die letzten fünf Sekunden nach dem Team-Time-out noch mit, den Sieg vage, aber nah vor Augen. Nikola Potic versuchte es noch mit einem weiten Pass, der sein Ziel nicht erreichte, auch weil die VfL-Spieler den Gegner wie schon vorher so oft gehörig unter Druck setzten.

Das Gefühl des Sieges war unbeschreiblich. Endlich wurde der riesen Einsatz von Mannschaft und Trainern mit zwei Punkten belohnt. Es war auch ein Kampf für die vielen Verletzten.