Mit 30:36 (15:17) unterlag der VfL Günzburg gegen individuell stärkere Pfulllinger, auch weil in den letzten zehn Minuten im eigenen Angriff einfach nichts mehr gelingen sollte, was natürlich auch immer ein Verdienst des Gegners ist. Davor erlebten die 180 Zuschauer eine ungebändigte Tempohatz auf Augenhöhe.

Nur die größten Handballfans wagten angesichts der hohen Inzidenzen oder auch der unendliche Besuchsauflagen: 2G, plus Test, plus Identitätskontrolle, plus Maske. plus Abstand und Sperrstunde einen Besuch in der Günzburger Rebayhalle. Der VfL versuchte wenigstens denen, die wollten das Zuschauen so leicht wie eben möglich zu machen. Die Schnellteststation von Physio Thomas Buhl wurde gut angenommen, gab es doch in Günzburg kaum noch verfügbare Schnelltestangebote für das Wochenende und die vielen VfL-Kontrolleure erledigten ihre Kontrollaufgaben freundlich und mit stoischer Ruhe, einfach war das im Halbdunkel des Hallenzugangs nicht.

Das 0:1 erzielte der 10-fache Torschütze Niklas Roth. Der bullige Rückraumspieler mit feinem Auge beim Wurf war für die erneut aufopferungsvoll kämpfende VfL-Defensive insgesamt nur schwer in den Griff zu bekommen. Beide Mannschaften jagten bedingungslos über das Feld. Günzburg glich aus. So sollte es erst einmal bleiben der Gast legte eines vor und die Heimmannschaft antwortete mit einem Gegentreffer. Sieben mal stand es zunächst unentschieden. Weder auf dem Spielfeld, noch in der Coachingzone oder auf der Zuschauertribüne gab es eine Verschnaufpause. In der 14. Minute errang der VfL leichte Vorteile als der erneut sehr mannschaftsdienliche Stephan Jahn das 9:7 erzielte. Die bayerischen Schwaben gewannen dank Patrick Rösch das Torwartduell und schienen noch geschlossener das gegnerische Tempospiel zu unterbinden, was einer Herkulesaufgabe gleich kam. Pfullingen konnte auf höhere individuelle Klasse setzen, besaß in allen Situationen unerschütterliches Selbstvertrauen und ging bei den Entscheidungen ein höheres Risiko ein. unglaublich wie sie ihren Kreisläufer-Hünen Alexander Schmid immer wieder einsetzten und was dieses Handball-Schwergewicht dann alles mit dem Ball und seinen Gegnern machte. Das Spiel kippte als in der 25. Minute beim Stande von 14:13 einmal Fischer, einmal Roth und zweimal Rix ein Viererpack gelang. 14:17, keiner der tapferen VfL-Zuschauer wusste so recht warum, kleinste Fehler werden einfach hart bestraft. Nicolai Jensen traf zum 15:17-Pausenstand. Zuvor hatte David Pfetsch erneut Großes für das Tempospiel geleistet, Manuel Riemschneider beeindruckte durch seine Zielstrebigkeit zum Tor und seinem Mut beim Abschluss, Kämpfer Yannik Meye traf sicher und Andre Alves war erfreulicherweise ganz Andre Alves. Es sah insgesamt gut aus.

Die Zuschauer kühlten ihr Mütchen im Freien, sehnten sich nach Wärme, Glühwein und Foyer-Gesprächen der Prä-Corona-Zeit und hofften weiterhin auf einen Überraschungssieg gegen das 3. Liga-Spitzenteam. Sie sollten erst nicht enttäuscht werden. Beim 18:18 war es auf der Anzeigentafel dokumentiert wieder ausgeglichen. Daniel Jäger hatte gleich nach Wiederanpfiff eine ganz starke Phase. Der unbändige Kampf auf beiden Seiten ging in höchster Geschwindigkeit weiter. Das Spielchen des ersten Durchgangs war neu eröffnet. Pfullingen legte eins vor, zehnmal glichen die Günzburger aus. Leider auch wie in den ersten 30 Minuten, errangen die Pfullinger dann leichte Vorteile und konnten sich zweimal mit zwei Treffern absetzen. Schon davor: Die Schrecksekunde des Spieles. Patrick Rösch, ein Mannschaftssportler ohne jede Rücksicht auf sich selbst, errannte von der Auswechselbank gerade noch das Tor und sprang hinter einem Ball her, hinter das Tor, durch die Matten an die Sprossenwand. Bilder seiner früheren Verletzungen schossen durch den Kopf der Röschi-Fans. Alles Mögliche wurde befürchtet. “Doch es war nur der Kopf”, wie der unerschütterliche Hobby-Stuntmann – nun mit Beule – leicht benommen, aber gewohnt süffisant zum besten gab. Eine abschließende Beurteilung steht allerdings noch aus. Gut sah das Ganze nämlich gar nicht aus. Das Spiel war mit Patrick Bieber im Tor längst wieder angepfiffen. Stephan Jahn erzielte bei 49:34 den 29:30-Anschlusstreffer – alles schien ergebnisoffen.

Doch dann war Schluss: Nicht beim Gäste-VfL, sondern beim gastgebenden. Erst war noch das Glück bei den Czako-Schützlingen. Zweimal verfehlte ein Weitwurf das ungehütete Tor der Günzburger denkbar knapp. Oft demotiviert gerade das die Verwerfenden, doch das Selbstvertrauen der Württemberger war unerschütterlich. Den Weinroten sollte hingegen im Angriff gar nichts mehr gelingen, erst als das Spiel entschieden war, 19 Sekunden vor Schluss, traf der elffache Torschütze Andre Alves, der erneut zum “man of the match” erkoren wurde noch einmal. Ein Tor in 10 Minuten, besonders in den letzten kann nie und nimmer reichen um ein Spiel gegen solch einen Gegner zu gewinnen. So hatten die Günburger Fans auf dem Heimweg einiges zu rätseln, woran es lag. Klar, war das Spiel davor hochintensiv und manch VfL-Akteur an der Grenze. War es die Auszeit von Gästetrainer Daniel Brack just in dieser Zeit oder trauerte die Mannschaft vergebenen Chancen beim Sieben gegen Sechs nach? Mannschaft und Trainer werden am freien Sonntag nach Erklärungen suchen. Montags wird das Spiel, einschließlich der Schlussphase nachbesprochen werden. Vielleicht war es danach wenigstens lehrreich.

So jubelten am Ende die etwa fünfzehn Pfullinger Fans, die mit ihren engagierten und fröhlichen Trommlern der Veranstaltung ihren lauten Stempel aufgedrückt hatten.