Bayernliga-Handball: SV Anzing – VfL Günzburg

Zur ungewohnten Zeit, am Samstag um 18.00 Uhr, treten die VfL-Handballer im Anzinger Sportzentrum an. Klingt erst einmal ganz normal, doch dabei handelt es sich nach dortigen Aussagen nicht nur um eine Sporthalle, sondern auch um die Höhle der Löwen. Um im Fußball-besetzten Oberbayern die eigene Handballmarke zu prägen, kultiviert man ausgerechnet in der Sepp-Maier-Stadt das Bild des in München nach dem Abstieg der 60er so traurigen Löwen. Im nahen Anzing, kennt man keine 60er, da ist der Löwe noch ein Prachtkerl. Der dortige Löwenmythos verbunden mir oberbayrischer Lebensfreude wirkt urig und ideenreich. Eine gelungene Einlaufzeremonie, bei der furchterregendes Löwengebrüll nicht fehlen darf, versetzt ein sehr begeisterungsfähiges Publikum regelmäßig in richtige Handballstimmung. Dann laufen sie ein: Die regionalen Handballhelden, stolz dem Löwenmythos verbunden, in Einzelfällen mit Mähne,  voller Lebenskraft und Mut. So gar nichts haben sie mit den afrikanischen Löwenrudeln zu tun, die scheinbar faul in der Savanne herumliegen und die Tierfilme unserer Kindheit prägten.

Vielleicht auch wegen der alten Symbolik, sind die Anzinger Handballer für ihre Kampfeslust in der bayrischen Elite-Liga gefürchtet. Überall ist oberbayrischer Lebensspaß zu spüren, nur nicht in den 60 Minuten Handball, da wird hart um das eigene Revier gerungen. Besonders stark dabei die Abwehr. Das unangenehme Bollwerk gehört zum härtesten der Liga. Viel hängt da Woche für Woche von der Urteilskraft der Schiedsrichter ab. Genauso wie der VfL spielen die Schützlinge des renommierten “Löwen-Dompteurs” Hubert Müller, der beim BHV lange für die B-Trainerausbildung zuständig war und zu Regionalligazeiten einige Jahre bestaunter Linksaußen beim VfL Günzburg war eine offensive Deckung. Das bedeutet mehr Zweikämpfe und bei einigen bayrischen Schiedsrichtern auch automatisch mehr Zeitstrafen. Besonders viele bekommen die Anzinger.

Auch am vergangenen Wochenende, bei der 19:23-Niederlage in Waldbüttelbrunn (ohne Spielmacher Manuel Feitz) passte das Defensivwerk, allein in der Offensive mangelte es laut Spielbericht aus Anzing an “Durchsetzungskraft und Geduld”. Ein Problem, dass sich irgendwie durch die Saison zieht, so war es auch bei der unangenehmen 24:29-Heim-Derbyniederlage gegen den TSV Unterhaching. Man fühlt sich da so wie der Unterlegene eines Günzburg-Niederraunau-Derbys: Aktuell sind die Löwen hinter den Erwartungen zurück. Der Trainingsaufwand im bayrischen Osten ist gewaltig, unzählige Testspiele, aber auch auswärtige Trainingslager prägen eine harte Vorbereitung. Hubert Müller verlangt viel, will immer verbessern und professionalisieren. Aktuell 6:10-Punkte passen noch nicht ins Bild der stolzen Löwen. Der SV wird am Wochenende die Wende ins gesicherte Mittelfeld suchen. Der Löwe leidet. Schon vom heimischen schwäbischen Wild wissen wir, dass es genau in dieser Situation am gefährlichsten ist.

Die VfL-Handballer freuen sich sehr auf das Spiel. In manchen bayrischen Hallen ist schon arg ruhig, diesmal ist das ganze Gegenteil zu erwarten. Damit die Halle voll wird, gibt es für eigene Fans ermäßigte Eintrittskarten. Egal was kommt, Chancen rechnet sich die Mannschaft um Spielmacher Nico Jensen schon aus: Letztes Jahr war es dort schon arg knapp und seither ist die Mannschaft ein Jahr älter und erfahrener geworden. Vieles entwickelt sich in der jungen VfL-Mannschaft gerade von selbst. Auch Angst vor der Löwensymbolik kennt man an der Donau nicht. Der Löwenmensch, aus einer Zeit als sich Neandertaler und moderner Mensch noch nebeneinander tummelten und es noch nicht einmal Hallenhandball gab, wurde schließlich im benachbarten Asselfingen gefunden und praktisch von jedem Kind schon im Ulmer Museum bestaunt.