Bayernliga-Handball: SV Anzing – VfL Günzburg
Nach einem verbissen geführten Kampfspiel entführte der VfL Günzburg mit 26:27 (13:16) beide Punkte aus dem Anzinger Hexenkessel. Damit steht der letztjährige Abstiegskandidat nach 10 Spieltagen ohne seine Leistungsträger Patrick Rösch und Daniel Jäger auf einem nie für möglich gehaltenen dritten Tabellenplatz. Stolz war Trainer Stephan Hofmeister auf die Einstellung seiner Mannschaft. Soll aber auch zum Saisonende ein Platz in der oberen Tabellenhälfte die VfL-Chronik schmücken, dann gibt es Verbesserungsbedarf. Besonders der Beginn der zweiten Halbzeit ließ jede taktische Konsequenz vermissen.
Doch der Reihe nach:
Respekt, was der SV Anzing im Fußball-entrückten Oberbayern auf die Beine stellt. Schon beim Einlaufen gehen die Lichter aus, Löwengebrüll ist zu hören, ein ausgezeichneter Hallensprecher begrüßt jeden einzelnen Anzinger Löwen, gleichzeitig leuchten die Konterfeis nacheinander auf einer Leinwand hoch unter der Decke, dort wo die Punktetrauben hängen. Elektrisiert von der gelungenen Choreographie stehen die 350 begeisterten Handballfans, angeführt von vielen Trommeln wie eine Eins hinter ihren SV-Helden. Guten Beitrag zur besten Handballstimmung leisteten die 50 VfL-Fans. Sie gaben alles, keine schwäbische Zurückhaltung im oberbayrischen Löwenkäfig – so sollte Handball sein.
Das 1:0 glich Nico Jensen postwendend aus, die Abwehrreihen schenkten sich nichts. Da waren stolze Männer am Start, die ihren Raum handgreiflich verteidigten: Es war das Verdienst der engagierten Schiedsrichter Benjamin Flor und Stefan Murrmann, dass die Regeln im Handballgefecht eingehalten wurden. Bis zum 5:4 dominierten die Löwen. Danach stand es fünf Mal unentschieden, auf dem Feld und auf der Tribüne ging es hoch her. Angeführt von einem überragenden Pascal Buck, der seine Verletzung in Rekordzeit überwunden hat, kamen nun die Schwaben, Der VfL sollte an diesem Tag jeden einzelnen Spieler dringend gebrauchen. Gerade die Jüngsten setzten Akzente. Vor der Halbzeit war es zunächst Jakob Hermann, der nicht nur ein herrliches Rückraumtor erzielte, sondern auch immer da hin ging, wo es richtig weh tat. Einmal besonders, als er sich von Jonathan Limbrunner im Zweikampf eine ordentliche oberbayrische Schelle abholte. Das passiert in der Hitze des Gefechtes, es geschieht ohne Absicht, kein Vorwurf. Die Schiedsrichter gaben dafür Rot. Eine seltene und schwierige Entscheidung. Das schwächte die Gastgeber sehr, denen ohnehin das Verletzungspech an den harzigen Fingern klebt. Doppelte Überzahl, eine weitere Zeitstrafe war ausgesprochen und eine 13:16-Auswärtsführung, so ging es in die Halbzeit. Herrliche Aussichten!
Die jungen VfL-Spieler hatten nach Wiederanpfiff die Chance einiges klar zu machen. Inkonsequent wurden 90 Sekunden Sechs gegen Vier gespielt. Immerhin stand die Abwehr, doch es gelang kein Treffer – zu wenig. Eine Spitzenmannschaft hätte hier gnadenlos zugeschlagen. Die einen nahmen das Tempo raus, andere warteten auf einen Spielzug, das Konzept wurde verlassen. So ging es weiter. Beim 19:19 war die Begegnung wieder komplett offen. Die Chance zur Dominanz wurde vertan, was auch am unbändigen Kampfeswillen wahrer Löwen und ihrem Torwart lag. Die Fans hatten ihr Kampfspiel zurück. Die Youngster bewiesen in dieser Phase Nervenstärke. Jonas Guckler versenkte in Extremsituation zum 19:20 und 21:22 aus ganz spitzem Winkel. Dennis Mendle hielt in der 50. Minute beim Stand von 22:23 einen wichtigen Siebenmeter und damit die Führung fest. Doch Anzing gab einfach nicht auf. Es ging nicht nur gegen den VfL, sondern auch gegen das freche Abstiegsgespenst, das bei bislang gerade sechs Pluspunkten bereits um die schöne Halle geistert. Beim 26:26 stand das Spiel auf des Messers ganz scharfer Schneide.
Trainer Hubert Müller. einer der renommiertesten bayrischen Trainer, der vier Jahre beim VfL in der Regionalliga spielte, nahm eine Auszeit. Der VfL nutzte die Gesprächspause um Abwehrbeton anzumischen. Ein sehr umsichtiger Hintenmitte Michael Jahn, der immer die Übersicht bewahrte, als Abwehrorganisator und Torwart Patrick Bieber ließen nun keinen Treffer mehr zu. Kunstschütze Jonas Lehr erzielte in der 57. Minute das 26:27. Es sollte in der Abwehrschlacht schon der letzte Treffer sein. Bis zum Abpfiff waren noch sehr viele bange Sekunden zu überstehen. Die Anzinger hatten alles gegeben und standen mit leeren Händen da. Gerecht wurde das Ergebnis ihrem Einsatz nicht. Der VfL feierte. Erst im Löwenkäfig, dann im Bus. Die Stellvertretende Abteilungsleiterin Annette Fiegel-Jensen ordnete für die Rückfahrt Freibier an. Eine kluge und unumstrittene Entscheidung. Dann ging es mit dem Mannschaftsbus ins W3. Man hatte das Gefühl der Mannschaft etwas zurückgeben zu müssen.
Es spielten: Bieber; Mendle; Knittl (5/4), Guckler (2), Jahn, Buck (9), Leix (1), J. Hermann (1), Groß, Jensen (2),Lehr (3), N. Hermann (1) und Scholz (3).