In einem temperamentvollen Handballspiel unterlag der VfL Günzburg dem HC Oppenweiler/Backnang mit 31:36 (17:19). Nimmt man die weinrote Vereinsbrille ab: Keine wirkliche Überraschung! Doch schreibt jedes Spiel seine eigenen Geschichten. Manche davon sind rundherum erfreulich, andere kommen zu allem Überfluss dazu.

Fangen wir mit den erfreulichen an:

„Player of the match“ wurde diesmal keiner der üblichen Verdächtigen, sondern Torwarttalent Sascha Langhans. Mitte der ersten Halbzeit kam er für Patrick Rösch und zeigte vor heimischen Publikum eine bärenstarke Partie. In der lange engen Begegnung hielt er sein Team im Spiel, strahlte trotz seiner Jugend viel Ruhe aus, nervte den Gegner mit seiner Reichweite und hatte auch bei den gegnerischen Wurfbildern offensichtlich seine Hausaufgaben gemacht. Torwarttrainer Andreas Theimer hat in Rekordtempo ein im wahrsten Sinne großes Talent zu einem 3. Liga-tauglichen Keeper geformt.

Prima auch, dass die Entscheidung zum besten VfL-Spieler des Tages richtig eng war, denn auch der siebenfache Torschütze David Pfetsch zeigte eine grandiose Leistung. In der Handballtalentschmiede VfL Günzburg freut man sich immer besonders, wenn zwischendurch die Jüngeren in den Focus geraten.

Dann erlebten die 200 Zuschauer auch zwei erfolgreiche Comebacks. Nach monatelanger harter Reha durfte Matevz Kunst endlich wieder auf die Platte. „Natürlich ist er noch nicht bei 100 Prozent“, berichtete Trainer Gabor Czako. Für vier wichtige Tore reichte es aber. Der erste gelungene Spieleinsatz, signalisiert einem Rückkehrer Sicherheit und das Gefühl, dass sich die einsame Schinderei in der Reha gelohnt hat. Ähnlich gut lief es bei Andre Alvez, der bei seinen fünf Treffern seine einzigartige Wurfkunst gut unter Beweis stellen konnte. Für die Mannschaft und das noch folgende Hauptziel „Nichtabstiegsrelegation“ ein gutes Signal.

Auf die Geschichte über die gelernten VfL-Kreisläufer hingegen hätte man gut verzichten können. Nicht genug, dass mit Yannick Meye einer davon wegen eines Sportunfalls länger ausfällt. Nein genau in dieser Kreisläufernot musste Daniel Jäger auch noch auf sein Knie fallen und den größten Teil der Begegnung von der Bank miterleben. Nebenbei sind Beide noch die bevorzugten Hintenmitte der 5:1-Deckung. Das Trainertrio hatte zu den üblichen Problemen also auch einiges an neuer Improvisationskunst unter Beweis zu stellen. Gut, dass man die Jahns hat. Vermutlich weil sich in der Familie seit Jahrzehnten alles um Handball dreht, können sie auch auf allen Positionen spielen und so fanden sie sich plötzlich viel an der Torraum- statt an der Freiwurflinie. An ihrer Leistung lag es nicht.

Die Gäste standen gehörig unter Druck. Da waren weiterhin Corona-Ausfälle zu beklagen, dann braucht der HC einfach jeden Punkt um mindestens den sechsten Rang, der den Klassenerhalt bedeutet, zu behalten und für den Fall, dass man doch in die Abstiegsrelegation stürzt, sollte man beim VfL auf keinen Fall verlieren, weil dann die Gefahr besteht genau diese Minuspunkte mitzunehmen. Und erschwerend kommt dazu: Die Weinroten verschenken nichts. In jedem Spiel rennen sie um ihr Leben um am Ende vielleicht doch wie weiland in Willstätt einem der Favoriten ein Bein zu stellen.

Die Württemberger erwischten den besseren Start und führten schnell 2:0. David Pfetsch gelang beim 4:4 der erste Ausgleich, Daniel Jäger die erste Führung zum 6:5. Im Kampf um die angeblich so leichten Gegenstoßtore hetzen beide Teams durch die Halle. Oppenweiler deckte defensiver und musste deswegen nicht ganz so weite Wege gehen. Energiesparend waren natürlich auch ihre Rückraumtore aus der Distanz, während der VfL stets hart um seine Torchancen ringen musste. Das macht die letzten 10 Minuten eines Spieles energetisch schwierig.

Das Umschalten bei Angriffsfehlern war beidseitig beeindruckend. Das Günzburger Tempospiel muss sich in der 3. Liga nicht verstecken. Nur zwischendurch, wenn taktische Ruhe gefragt ist etwa beim stehenden Überzahlspiel, passieren Fehler, die nicht passieren sollten. So machte der Gast aus einem 26:27 just in eigener Unterzahl ein 26:29. Das tat weh, entfacht zwar neue Kampfkraft und war nicht das Ende vom Lied, kostet aber wieder Kraft. Handball ist auch ein Energieproblem.

Entscheidungsreife war dann beim 29:30 in der 50. Minute durch Andre Alves. Ein paar kleine Fehler vorne schmissen die Gegenstoßmaschine der Nord-Württemberger noch einmal so richtig an und in der 57. Minute stand es uneinholbar, eine bis dahin aufopferungsvolle und durchaus ebenbürtige Leistung der bayrischen Schwaben auf den Kopf gestellt, 29:35. Alle Körner waren verbraucht, alle Improvisationskunst am Ende. Nüchtern, ohne eine der vielen Geschichten des Spieles zu erzählen stand auf der Anzeigentafel nach 60 Minuten 31:36. Das ist Leistungssport: Am Ende zählt nur das Ergebnis.

Am nächsten Sonntag geht die Reise nach Neuhausen. Dort wartet der Neunte auf den Zehnten. Für Beide besteht Minuspunktmitnahmegefahr.