Bayernliga-Männer: TSV Lohr – VfL Günzburg 21:29 (8:10)

In einem reinen Kampfspiel entführte der VfL Günzburg mit einem zu hohen 21:29 (8:10) beide Punkte aus der gut besuchten Lohrer Spessarttorhalle. Feine bayrische Handballkunst wurde bei diesem Spiel nicht feil geboten, dafür war die Begegnung an Spannung kaum zu überbieten und sowohl für Zuschauer als auch für die Spieler nervenaufreibend.

Die Spielvoraussetzungen ließen nichts anderes erwarten. Der TSV, der übrigens viele Jahre zum Inventar der dritten Liga gehörte, stand mit dem Rücken zur Wand. Noch keinen Ligapunkt geholt, Aufstiegstrainer Bernd Becker zurückgetreten. Das alles bei dieser Tradition, den vielen Handballfans. Ein Lohrer Handballer ist wie der Günzburger “lokal hero”. Diesen Status will man auch in harten Handballzeiten aufrecht erhalten. Dann die Schwaben, das schwere Friedberg-Spiel von Donnerstag noch in den Knochen, nur 8:8-Punkte, Derby und Heimnimbus verloren. Gerade einmal ein Tag blieb um müde Krieger aufzubauen und taktisch vorzubereiten. Natürlich wussten die Mainfranken um die Nöte der Günzburger Englischen Woche, das stimuliert einen Abstiegskandidaten zusätzlich.

Und so wurde von Beginn an gekämpft und gerungen, selbst die VfL-Fans wirkten nach dem Spiel verausgabt. Auch sie hatten für ihre Handballlieblinge alles gegeben. Ein erneut eiskalt werfender Jonas Lehr erzielte per Siebenmeter das 1:0 für seine Farben. Die Vorteile lagen im ersten Spielviertel bei den Gastgebern. Sie führten zumeist. Vor beiden Torräumen war Abwehrbeton angemischt und dahinter standen starke Torhüter. Patrick Bieber war es in dieser Situation zu verdanken, dass die Lohrer nicht deutlich führten. Tore blieben Mangelware. Die nächste VfL-Führung erzielte Manuel Scholz zum 4:5: Da lief schon die 17. Minute. Das sagt alles über die Kämpferei.

Der TSV-Angriff war in dieser Phase komplett still gelegt, beim 5:8 schienen die Schwaben auf der beliebten Siegerstraße. Manche Spielermama dachte schon an Partystimmung mit einem Proseccochen auf der Rückfahrt. Das war zu früh gefreut, heftig musste weiter gefightet, getrommelt und geklatscht werden. In die Pause ging es mit einem knapp erfreulichen 8:10.

Pascal Buck ging gar nicht mit in die Kabine. Er hatte vom Schwabenderby einen argen Pferdekuss und lief einsam in der Halle um warm zu bleiben, wollte der Mannschaft aber unbedingt helfen. Und stellte seinen Gegenspieler weitesgehend kalt. Groß war die innere Solidarität im Team, die verletzten Jonas Guckler und Patrick Rösch litten furchtbar und lautstark auf der Tribüne. Jede Unterstützung war wichtig an diesem Abend.

In der zweiten Halbzeit änderte sich nichts. Jeder Millimeter Hallenboden war Gegenstand eines zähen Handballstellungskrieges, in dem Patrick Bieber immer mal zum entschlossenen Retter wurde. Günzburg führte mit eisernem Siegeswille knapp, ohne Handballglanz, aber bereit alles für die Farben zu geben. Beim 17:17 glichen die Mainfranken aus, das Publikum kam. Noch nie hatte diese Handballgeneration in Lohr gewonnen.

Es lief die 48. Minute. Überzahl: Manuel Scholz, Daniel Jäger und Michael Jahn, der sehr stark deckte, erzielen drei Treffer, Lohr einen. 18:20! Übergangstrainer Christian Rath nahm eine Auszeit. Ein probates Mittel um einen gegnerischen Lauf zu stoppen und das eigene Team einzunorden.

Ausgerechnet danach ging alles den Main hinunter, Richtung Donau. Die Günzburger warfen sich nach allem und Raphael Groß erzwang die Wende. Zuerst traf er entschlossen aus dem Rückraum. Zeitstrafe gegen Michael Jahn. Aua, das braucht man in keiner Schlussphase! Nichts deutete auf einen deutlichen Auswärtssieg hin. Doch die fünf Schwaben kannten den Überzahlspielzug vom VIdeostudium. Damit ist es nicht getan, die Spieler müssen dann unter größtem Stress die eigenen richtigen Entscheidungen treffen und das taten Axel Leix und Raphael Groß in dieser Phase der Entscheidungsreife . Zweimal spitzelten sie den Ball heraus, Jakob Hermann und Raphael Groß nützen diese Ballgewinne zu Gegenstoßtoren. Zack-zack, Ruck-zuck.

Aus für Lohr, die auch alles gaben. Vorentscheidung für Günzburg in der 55. Minute. Was für ein Finish. Danach wurde es locker. Tore gelangen plötzlich am Fließband. Das 21:29 auf der Anzeigentafel, beschreibt die Spieldramatik nicht. Ein richtiges Männerspiel war beendet..

Patymusik im Bus, ein Proseccochen für die Damen, VfL-Vorstand Walter Hirsch öffnete die zweite oder dritte Schnupftabaksdose, die stellvertretende Abtielungsleiterin Annette Fiegel Jensen ordnete Freibier an, Happy Birthday für Patrick Rösch. Da war viel Pfiff im Bus.

Zurecht, solche Spiele müssen erst einmal gewonnen werden. Trotz der schmerzlichen Derbyniederlage hat der VfL in der englischen Woche fünf starke Halbzeiten gespielt, manche so, manche wie in Lohr.

zur Statistik:

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