Stephan Hofmeister: I am a Günzburger …
Interview unseres Chef- Coaches zum Derby Söflingen gegen Blaustein aus der Ulmer Südwestpresse.
Am Sonntag steigt in der Kuhberghalle der Handballgipfel der aktuellen Saison: Viertligist Söflingen empfängt den Aufsteiger aus Blaustein. Trainer-Guru Stephan Hofmeister, in der Region bestens bekannt, gewährt einen besonderen Einblick in die heiße Derby-Problematik.
Herr Hofmeister, Sie sind in der Region als Handball-Experte bekannt, waren jahrelang erfolgreich als Trainer tätig in den unterschiedlichsten Ligen. Welche Erinnerungen dominieren zu den jeweiligen Vereinen? Fangen wir mit Langenau an…
Stephan Hofmeister: In Langenau stellte ich von der Einkaufs- auf die Leistungsportphase um. Es waren erlebnisreiche Drittliga-Jahre. Einmal ging es um den Aufstieg und viermal um den Abstieg. Am besten für den Verein war, dass ich Markus Hinkelmann, Jan Schaden, Miro Ilic, Simon Cipa und Fabian Schoierer vom C-Jugendlichen bis zum Drittliga-Spieler begleitete.
Und beim SC Vöhringen?
Vöhringen war mein Abschied von Bundesliga-Ambitionen, ich war – weil es mir dort gefiel – zu lange im mittleren Leistungsbereich. Am besten war an der Iller mein Ultimatum: Da alles eng war und wir auswärts jedes Spiel knapp verloren, bekam ich Angst, abzusteigen. Deswegen erklärte ich den verdutzten Spielern, dass ich im Falle der nächsten Niederlage aussteige. Das nahmen sich die Spieler so zur Brust, dass wir am Ende versehentlich in die 4. Liga aufstiegen.
Nun zu Blaustein…
In Blaustein hatte ich zusammen mit Mathias Mensinger eine tolle Jugendmannchaft, von denen Markus Hellmann, Adi Wowra, Steffen Spiß und Patrick Rapp Derby-beteiligt sind. Am Ende hatte ich in Blaustein die Erste, die Zweite, die A-Jugend und die D-Jugend unter meinen Fittichen.
Aktuell trainieren Sie den VfL Günzburg, mit dem Sie in die Bayernliga aufgestiegen sind. Als Neuling tut sich der VfL schwer, woran liegt es?
Die meisten Spieler haben vor ein oder zwei Jahren noch A-Jugend gespielt. Der Anpassungsprozess an die höheren körperlichen und taktischen Anforderungen dauert länger als erwartet.
Wie ist die Bayernliga in der Spielstärke im Vergleich zu den württembergischen Ligen einzuordnen?
Die Spitzenmannschaften schenken sich nichts. Der Bayernliga-Erste HC Erlangen II hat regelmäßig vier Spieler im Kader, die auch in der 1. Liga spielen und der Tabellenzweite, die DJK Waldbüttelbrunn, schlug erst kürzlich im Amateurpokal den BaWü-Zweiten TSV Neuhausen/Fildern. Die baden-württembergische 4. Liga weist eine höhere Leistungsdichte auf.
Am Sonntag steht das Derby in der BWOL an: Die TSG Söflingen empfängt den TSV Blaustein. Solche Paarungen sind immer ein Höhepunkt in einer Saison – an welche direkten Nachbarschaftsduelle erinnern Sie sich besonders gerne?
Für einen Günzburger Handballer sind es die Spiele gegen Frisch Auf Göppingen. In der ersten und zweiten Liga sind sie längst Geschichte, dieses Derby lebte in der Junioren-Bundesliga auf, als zuletzt über 800 Zuschauer diese Begegnung sehen wollten. In der Region waren es für mich die Derbys zwischen Laupheim und Vöhringen, besonders in der Enge der Herrenmahdhalle. Zuletzt erlebte ich Derby-Fieber beim Spiel gegen den TSV Niederraunau, als 1700 Zuschauer in die Günzburger Sporthalle kamen.
Zurück zu Söflingen: Die TSG ist der einzige höherklassige Verein in der Region, den Sie nicht trainiert haben. Warum hat diese Zusammenarbeit nie geklappt?
Ich bedauere es sehr, dass die TSG Söflingen ihre Zweitliga-Ambitionen nicht verwirklichen konnte. Da die TSG für dieses Projekt wenig eigene Spieler einbringen konnte, mussten sie die Leistungsträger der umliegenden Vereine abwerben. Eine solche Aufgabe passt zu keinem Trainer, der davor bei genau diesen Vereinen tätig war. Das gehört sich nicht.
Sie haben den Ruf, ein ausgezeichneter Trainer für Nachwuchskräfte zu sein. In beiden BWOL-Teams stehen Akteure, die durch Ihre Handball-Schule gingen. Wie sehen Sie aus der Ferne deren Entwicklung?
Spieler, die ich trainiere, haben viel mit mir zu tun. Sobald ich eine andere Aufgabe übernehme, haben sie aber auch umgekehrt komplett Ruhe vor mir. Dank Facebook gratuliere ich zum Geburtstag, mehr nicht. Mit 55 sucht man keine neuen Freunde mehr.
Wenn Mannschaften wie die TSG und der TSV aufeinander treffen, die sich derart gut kennen, auf was muss man als Trainer dabei besonders achten?
Auf seine Freizeit! Er bekommt deutlich weniger zu tun. Urplötzlich sind alle Spieler fokussiert und interessieren sich sogar für die Videoanalyse. Aus der erhöhten Trainingsbereitschaft dürfen allerdings keinerlei Schlüsse für die Zukunft geschlossen werden.
Muss ein Trainer da auch mal auf die Bremse treten, zum Beispiel falls irgendwelche Revanchegelüste da sind – wenn ja, wie macht ein erfahrener Coach das am besten?
Das glaube ich nicht. Die Spieler kennen sich privat bestens. Insgesamt geht man hart, aber auch respektvoll miteinander um. Es lohnt sich außerdem nicht, Viert-Liga-Schiedsrichter zu unterschätzen.
Wirklich ehrenwert, dass Sie die Spieler schützen. Aber viele Fans und auch Leser der SÜDWEST PRESSE wissen, dass es noch vor wenigen Jahren bei Derbys sehr ablehnend zuging. Erinnert sei nur an das Duell zwischen Langenau und Söflingen, als sogar Rettiche im Spiel waren, die unschöne Bezeichnung für die TSG-ler…
Mit Rettichwürfen von der Tribüne rechne ich nicht. Da sowohl Söflingen als auch Blaustein wegen der kargen Böden auf eine parallele Rettichanbau-Geschichte zurückblicken können. „Tickende Zeitbomben“ gibt es unter den von Natur aus rüderen Abwehrspezialisten. Besonders gefährdet sind Techniker, sie wirken wegen ihrer koordinativen Überlegenheit für den Handball-Kärrner arrogant. Das provoziert Hiebe. Trainer verhindern das oft nur offiziell, da auch Zeichen gesetzt werden müssen.
Die Blausteiner, die insgesamt eine tolle Runde spielen, wollen sich für die herbe 26:33-Heim-Klatsche der Hinrunde revanchieren…
Mir ist es wirklich egal, wer das Spiel gewinnt. Ich gönne es Adrian Wowra genau so wie Steffen Spiß. Aus der Ferne glaube ich, dass Blaustein in der Runde deutlich besser abschneiden wird. Speziell in diesem einen Spiel favorisiere ich jedoch die TSG: Es ist das eine Spiel, in dem auch Spieler, die jahrelang in dünnen Kadern ihre Knochen hinhalten müssen und mittlerweile manchmal auch ein wenig Handball-müde sind, endlich mal wieder Alles vor großer Kulisse geben können, um zu zeigen, wer der relative Platzhirsch ist.
Wo stehen die Klubs mittelfristig?
Ich glaube, dass die nächsten drei Jahre Blaustein aufgrund seiner Altersstruktur und dem Liga-Neuland Vorteile hat und mächtig an das Tor zur dritten Liga klopfen wird. Spätestens danach sehe ich die Vorteile dann wieder deutlich bei der TSG, weil sie es dank eines hervorragenden Trainers und eines Handballabteilungsleiters aus dem Leistungssportfach geschafft hat, eine leistungsorientierte Jugendarbeit aufzubauen. Erste Früchte können da bald geerntet werden.
Und wo führt der Weg Ihres Heimatvereins VfL Günzburg hin?
Der Plan lautet: In drei Jahren in die Dritte Liga. In aller Regel erfülle ich solche Pläne, zur Not halt über einen Abstieg in die Landesliga.
Nur mal angenommen, Söflingen, würde sich nicht mehr mit der ungeliebten Rolle des Zweiten zufrieden geben und würde Ihnen ein äußerst lukratives Angebot unterbreiten, dies zu ändern – stellen wir uns nur mal vor: TSG-Boss Walter Feucht, der Florida-Fan, tippt Sie an: „Make Söflingen great again“, auf geht‘s „TSG first“. Was würden Sie sagen?
Sehr frei nach Kennedy würde ich ihm antworten: I am a Günzburger. And Gabor Czako is the best Trainer between Göppingen and Florida
Zur Person:
Stephan Hofmeister war mehrere Jahre als A-Jugend- und Bundesliga-Co-Trainer beim VfL Günzburg, ehe er dort mit 26 Jahren zum damals jüngsten Bundesligatrainer der deutschen Geschichte befördert wurde. Dieses Amt hatte er in der Saison 88/89 und 89/90 inne. In den Ulmer Raum kam er in der Saison 95/96. Er war vier Jahre Drittligatrainer in Langenau. Ab der Saison 03/04 trainierte er sechs Jahre den SC Vöhringen. Danach ging es für drei Spielzeiten zum TSV Blaustein. Ab der Saison 12/13 zog es ihn zurück zum VfL Günzburg. Seither gelang der zweimalige Aufstieg in die Junioren-Bundesliga und der Durchmarsch von der Bezirksoberliga in die Bayernliga.
Bahnfahrer Stephan Hofmeister: Zu Derby-Zeiten interessieren sich die Spieler sogar für Video-Analysen.
(Foto: Matthias Kessler )