Bayernliga-Handball: TSV Haunstetten – VfL Günzburg
Goethes Faust fällt einem nach dem 27:27 (14:14) im Schwaben-Derby nicht sofort ein. Beim Blick auf die Tabelle möchte man den Moment allerdings schon kurz umarmen, länger festhalten und in Anlehnung an das Meisterstück schreiben: Oh Augenblick! Verweile doch, Du bist so schön.
Nach einem verbissen geführten Handballkrimi stehen mittlerweile 6:2-Punkte auf dem Konto. Der VfL ist trotz dreier Auswärtsspiele beim letztjährigen Zweiten, Dritten und Fünften komplett unbesiegt und hat bereits jetzt genau so viele Punkte errungen wie die gesamte vergangene Hinrunde als nur jähe 6:20-Punkte in der Tabelle geführt werden konnten. Über einhundert mitgereiste Günzburger Handballfans erlebten ein Wechselbad der Gefühle. Groß ist mittlerweile die Vorfreude auf die Schlussphase. Schon auf der Hinfahrt wurde launisch geflachst wie viele Tore diesmal wohl aufzuholen seien. Enttäuscht wurde das Publikum auch in dieser Hinsicht nicht von seinen Handballlieblingen.
Den ersten Treffer erzielte Michael Jahn, der erstmals in der noch jungen Saison in der Anfangsformation stand. Es sollte bei einer Top-Quote nicht sein einziges wichtiges Tor an diesem frühen Abend bleiben. Der TSV Haunstetten begann mit seiner offensiven Deckungsformation. “Krake” Stefan Tischinger mit seinen langen Fangarmen erschwerte die Passwege. Doch insgesamt zahlten sich die vielen Tests der letzten Jahre gegen württembergische Mannschaften aus, bei denen solche Varianten nicht ungewöhnlich sind. Immer wieder konnte frei abgeschlossen werden. 6:3 führten die Günzburger. TSV-Trainer Michael Rothfischer reagierte und stellte schnell von hoher Deckungskunst auf eine hundsgemeine 6:0-Deckung um. Obwohl dies den VfL-Rückraum sehr freute, gab ihm der Erfolg länger recht als es Stephan Hofmeister lieb war.
Die Gastgeber glichen durch einen ausgefuchsten Spielmacher Max Schnitzlein beim 8:8 die Günzburger Anfangsvorteile komplett aus. Durch einen präzisen Wurf von Jonas Guckler hielt das Unentschieden bis zum 9:9. Mit einem Dreierpack enteilten die Haunstettener phasenweise. Günzburger Kampfeslust war geweckt, die erste kleine Aufholjagd wurde erfolgreich gestartet. Mit 14:14 wechselten zwei Teams, die beide unbedingt gewinnen wollten, nur scheinbar schiedlich.
In der zweiten Halbzeit begann ein recht ungemütlicher “Handball-Stellungskrieg”. Scharf schoss der Günzburger Rückraum, besonders Pascal Buck, der mit viel Trainingsfleiß einen riesen Sprung nach vorne gemacht hat. Doch umgekehrt tankten sich die ungemein schnellkräftigen Horner-Brüder immer wieder kompromisslos durch. Beider Torhüter hatten es nicht einfach, ein erfolgreiches Zusammenspiel mit der Abwehr war kaum möglich. Neun Mal stand es allein im zweiten fetzigen Durchgang unentschieden. Manch Zuschauer sehnte sich nach einem gemütlichen Fußball-Null-zu-Null, bei dem schon mal was passieren könnte. Der VfL versuchte seinen Innenverteidigern wenigstens kleine Pausen zu geben. Die Umstellungen waren schwierig, manch einer fand sich auf ungewohnten Positionen. Jakob Hermann erzielte beispielhaft ein Tor von Rechtaußen und eines vom Kreis. Beim 23:23 war Ende der Ausgeglichenheit. Es wurde gekämpft und gekämpft. Weinrote Würfe verfehlten ihr Ziel. Linksaußen Markus Schaudt und Alexander Horner brachten ihre Farben gut fünf Minuten vor Schluss mit zwei Treffern in Führung. Pascal Buck erhielt eine Zeitstrafe – auch noch Unterzahl. Geht da noch was? Reichen die Energiereserven noch?
Ja!
Nico Jensen fasst sich ein Herz und wenig später verwandelt Stefan Knittl seinen fünften Siebenmeter. Leicht; fast spaßig sehen sie aus. Nerven wie Drahtseil und viel Selbstvertrauen stecken dahinter – Ausgleich. Max Schnitzlein trifft und nährt die Hoffnung auf den ersten Heimsieg. Michael Jahn hämmert zum 27:27. Noch verraten wir nicht, dass er damit das erste und letzte Tor der Begegnung erzielte und damit auch die eigene Leistung krönte. Denn es war ja noch spannend zu spielen:
Fünfzig Sekunden verblieben den Augsburgern. Doch urplötzlich stand die VfL-Deckung. Das Team mobilisierte die aller letzten Reserven und kam noch einmal ein paar Sekunden in den Angriff. Eine Wurfposition konnte nicht mehr gefunden werden. Schlusspfiff – gerechtes Unentschieden. Gefühlter Sieg. Die Freude war dennoch verhalten – zu abgekämpft waren die jungen Helden. Später folgte der berechtigte Stolz.
Es spielten: Bieber, Mendle; Knittl (7/5), Guckler (1), Jahn (4), Buck (6), Leix (1), Hermann (2), Groß, Jensen (4), Lehr, Scholz (2).