Bayernliga-Handball: VfL Günzburg – TSV Unterhaching

Keinen Günzburger Zuschauer hielt es nach dem Spiel auf seinem Sitz. „Standing ovations“ für ein unglaubliches Spiel. Mit einer Energieleistung gewinnt der VfL ein schon verloren geglaubtes Spiel mit 30:27 (16:18). Gut 17. Minuten davor waren „Leix, Bieber &Co.“ schier aussichtslos zurück, nichts wollte gelingen. Dann ließ ein entfesselt kämpfendes Team noch einen einzigen Gegentreffer zu. Die Nordtribüne bebte zwar, aber die Alt-Ehrwürdige hielt.

Im Vorfeld freuten sich beide Mannschaften auf die Begegnung. Es gibt Parallelen: Letztes Jahr fiel alles schwer. Lange wurde gegen den Abstieg gekämpft. Beiden Mannschaften gelingt es vorbildlich jungen Spielern Verantwortung zu übertragen. Kaum einer hätte vor der Saison den Tipp gewagt, dass ausgerechnet der VfL Günzburg und der TSV Unterhaching nach durchaus  aussagekräftigen zehn Spielen das Duell Dritter gegen Vierter bestreiten. An Donau und Isar wird das begeistert quittiert. Die Hachinger, übrigens ein sehr fröhlicher Handball-Haufen, kamen mit großem Bus.

Das 1:0 erzielte Nico Jensen, dem der schwierige Spagat zwischen Torjäger und Spielmacher mal wieder bestens gelang. Dann wog das Spielgeschehen mit steten kleinen Vorteilen für die Günzburger erst einmal hin und her. Die Unterhachinger wirkten wie immer top eingestellt. Ein Geheimnis davon ist eine vom Unterhachinger Trainer Christian G. Sorger  speziell entwickelte Software zur Spielanalyse. Gleich am Montag wird sie von Trainer Hofmeister bestellt, der bislang mit „Hofi-ware“, einer in den 80er entwickelten zweifarbigen Zettelwirtschaft die taktischen Geheimnisse der Gegner lüftet. Die Smartphone-Generation findet das zwar „archäologisch“, freut sich aber still über den Anachronismus.

Da die TSV-Spieler besonnen agierten, gelang es den lauffreudigen Günzburgern nicht sich beim 14:12 und 15:13 endlich einmal auf drei Tore abzusetzen. Das Spiel war in dieser Phase sehr angriffsorientiert, scharf wurde geschossen, die Torhüter bekamen kaum einen Ball zwischen die Finger. In dieser Phase nahm Stephan Hofmeister eine Auszeit. Mit einstudierten taktischen Maßnahme vom gelben Zettel wollte er seinem Team den sicheren Weg zur Drei-Tore-Führung aufzeigen. Das verstanden nicht alle, der praktische Versuch erwies sich als untauglich und es kam noch viel schlimmer. Erst erhielt Niko Hermann eine Zeitstrafe und dann leistete sich Torwart Bieber seinen ersten Wechselfehler seit einem C-Jugendqualispiel. Der Ehrgeizige litt. All das machte unsicher, aus einer funktionierenden Mannschaft wurde urplötzlich ein aufgeschreckter Hühnerhaufen. Ein Hachinger Dreierpack folgte, Martin Dauhrer hatte kurz vor der Halbzeit eine starke Phase und so ging es jäh und unnötig mit 16:18 in die Kabinen.

Da gegen innere Unruhe äußere Hektik wenig hilft, wurde bei der Halbzeitbesprechung auf das didaktische Mittel des laufstarken Donnerwetters verzichtet. Die Mannschaft musste ihre Mitte wieder finden. Die jungen VfL-Helden mühten sich. Doch der Gast trat zu Beginn der 2. Hälfte im Stile einer Spitzenmannschaft auf, lautstark von seinen Fans unterstützt, stolz und selbst überzeugt in der Körpersprache. Valentin Elmer traf und wieder Philipp Heinle, der wurfgewaltige Ex-Gundelfinger, der insgesamt fünf Treffer erzielte. Aller Kampf schien nicht fruchten zu wollen. Ein deprimierendes 20:26 stand auf der Anzeigentafel. Die zweifache Handballmama Hermann gestand später, dass es ihr die Spielerei dieser Phase schon ein wenig peinlich war. Mehr pflichtgemäß nahm VfL-Trainer Hofmeister die Auszeit. Auf einem der vielen Zettel stand „Knittl“, den wechselte er dann auch ein. Eine prima Idee: Fünf Buden sollte der Trickwerfer noch erzielen. Torwart Bieber steigerte sich und es ging ein Ruck durch die Abwehr. Organisator Michael Jahn leistete ganze Arbeit, der starke Hachinger Rückraum wurde urplötzlich komplett kalt gestellt. Gegenstoßtreffer gelangen, schon aus der Schulz-Zeit immer die Initialzündung für Günzburger Publikumssturm. Einer VfL-Einheit aus Spielern und Fans gelang der Handballrausch. Der Gast hatte nur noch seine starke Defensive. Beim 26:26 war das Unentschieden geschafft. Überzahl – zwei Treffer. Bei 59:18 war das Spiel komplett umgebogen. Es stand 28:26. Martin Dauhrer schaffte noch einmal den Anschluss, der einzige Treffer seiner Farben in den letzten 18 (!) Minuten. Niko Hermann machte mit einem Hammer-Wurf das 29:27. Manuel Scholz, der hinten wie vorne sehr präsent agierte, gelang der 30:27-Endstand. Die Halle stand Kopf – die Unterhachinger Fans waren konsterniert. Dennoch konnte man sich mit ihnen nach dem Spiel großartig und fair unterhalten. Auch da ist Handball eine feine Sache. Nicht nur wegen des Sieges hat es einfach Spaß gemacht mit den Hachingern.

Danach feierte die Spieler Pool-Party. Am Freitag ist trainingsfrei. Die Mannschaft hat sich ein langes, auch spielfreies Wochenende verdient. Lange blieben die Fans sitzen. Selbst Frau Hermann schien zufrieden.

Es spielten: Bieber, Mendle; Knittl (7/4), Guckler, Jahn, Buck (3), Leix (1), J. Hermann, Groß (2), Jensen (5), Lehr(4), N. Hermann (2) und Scholz (6)